Ich kann es persönlich zwar nicht verstehen, warum ein Spieler, der eigentlich nie große Verletzungsprobleme hatte und momentan noch weltbester Akteur auf seiner Position ist, schon mit 30 seine Nationalmannschaftskarriere beendet, aber wirklich bange muss uns da für die Zukunft nicht sein. Mit Großkreutz (25) und Jung (24) sowie den Benders (25) als Notlösung hat man auch ohne Boateng (der in die Innenverteidigung gehört!) jetzt schon einige gestandene Spieler parat, die in den nächsten Jahren regelmäßig auf Vereinsebene bei deutschen Topclubs und auch international spielen werden. Obendrein gute Talente wie Korb (22) und da Costa (21) hinten dran, so dass ich uns hier auch ohne Lahm perspektivisch besser aufgestellt sehe als bspw. im Sturmzentrum. Von Generation zu Generation wird man sowieso immer wieder andere Positionen haben, die mit absoluten Weltklassespielern oder eben doch nur mit guter Oberklasse bestückt sind. Perspektivisch fällt der Rechtsverteidiger vielleicht aus erstgenannter Kategorie heraus, aber dafür sind eben unser Torhüter, die Innenverteidiger sowie das gesamte zentrale und offensive Mittelfeld in den nächsten zwei bis sechs Jahren so ziemlich das Beste, was der Weltfußball zu bieten haben wird.
Abschließend zum Thema "Jogi Löw" und ob man ihm jetzt huldigen muss - ich persönlich tue es nicht und rechne ihm lediglich an, dass er nach wochenlanger Kritik und offensichtlichster Fehler im allerallerletzten Moment doch nur zur Besinnung fand, um so der deutschen Nationalmannschaft jenen WM-Titel zu gewähren, den sie mit dieser herausragenden Generation schlichtweg verdient hat. Um das zu verdeutlichen, muss man sich ja nur einmal anschauen, wie Löws vermeintlich beste Elf und Taktik bis zum Achtelfinale gegen Algerien aussah:
Neuer
Boateng (Mustafi) - Mertesacker - Hummels - Höwedes
Lahm
Schweinsteiger - Kroos
Götze - Müller - Özil
Von diesem 4-1-2-3 wechselte er ab dem Viertelfinale endlich, endlich, endlich auf ein 4-2-3-1, tauschte zwei Spieler aus und besetzte insgesamt ganze sieben Positionen in ihrer taktischen Ausrichtung um:
Neuer
Lahm - Boateng - Hummels - Höwedes
Schweinsteiger - Khedira (Kramer)
Müller - Kroos - Özil
Klose
Unterm Strich blieben von Löws ursprünlichem Masterplan, seiner Aufstellung und taktischen Ausrichtung lediglich Neuer, Hummels, Höwedes und mit Abstrichen Schweinsteiger übrig. Den Rest seiner in monatelanger Kleinstarbeit erstellten Taktik musste er binnen weniger Tage zwischen dem Algerien- und dem Frankreichspiel komplett über den Haufen werfen, sonst wäre spätestens im Viertelfinale Schluss gewesen und der Pokal jetzt nicht für die nächsten vier Jahre in unserer Hand. Zum Glück, und das kann man Jogi vielleicht positiv anrechnen, schaltete er nicht komplett auf stur, sondern ließ endlich, wie es ein Reporter so schön sagte, "genau das zusammen spielen, was zusammen gehört". Deshalb werde ich aber von meiner während der ganzen WM geäußerten Kritik nicht plötzlich abrücken und alles toll finden. Dass Löw nun aber weiter Bundestrainer bleibt, kann ich trotzdem akzeptieren und ich hoffe für all uns Fußballfans, dass ihm bei der letzten WM ein paar Lichter aufgegangen sind, die noch bis zur EM in zwei Jahren weiterleuchten werden.
PS: Dass die gleichgeschaltete DFB-hörige Presse und zahlreiche Fans jetzt reihenweise umfallen, wundert mich ehrlich gesagt nicht. Viele von denen hatten schon vor der nahezu allumfassenden Masterplan-Änderung überhaupt keinen Schimmer, was wirklich schief läuft, redeten Fehlbesetzungen mit den hanebüchensten Statistiken schön und halten jetzt mit ebensolcher Unkenntnis und taktischem Halbwissen ihr Fähnchen in den Erfolgswind. Aber das ist schon ok - mache ich beim Basketball auch nicht anders, wenn die NINERS mal richtigen Rotz gespielt und kurz darauf einen glücklichen Sensationssieg geholt haben.

PPS: Hut ab vor Bastian Schweinsteiger. Er war der Mann des Finales und ihm gönne ich diesen WM-Titel nach seiner ganzen Entwicklung vom jugendlichen Offensivheißsporn zum unangefochtenen Leader und genial kontrollierten Mittelfeldstrategen am allermeisten - neben Lucky-Edel-Ultra-Fan Kevin Großkreutz natürlich.

Wenn ich kein eingefleischter Dortmund-Anhänger wäre, hätte ich mir glatt ein Schweini-Shirt geholt. Aber das Hummels-Jersey, für welches ich mich erst kurz vor der WM statt eines Reus-Trikots entschied, hat ja letztlich auch Glück gebracht.
